Manifest #actout
Wir sind hier und wir sind viele!
Wir sind Schauspieler*innen und identifizieren uns unter anderem als lesbisch, schwul, bi, trans*,
queer, inter und non-binär.
Bisher konnten wir in unserem Beruf mit unserem Privatleben nicht offen umgehen, ohne dabei
berufliche Konsequenzen zu fürchten. Noch zu oft haben viele von uns die Erfahrung gemacht,
dass ihnen geraten wurde - sei es von Agent*innen, Caster*innen, Kolleg*innen, Produzent*innen,
Redakteur*innen, Regisseur*innen usw. - die eigene sexuelle Orientierung, Identität sowie Gender
geheim zu halten, um unsere Karrieren nicht zu gefährden.
Das ist jetzt vorbei.
Wir gehen nun gemeinsam den Schritt an die Öffentlichkeit, um Sichtbarkeit zu schaffen.
Wir, das sind sowohl Schauspieler*innen, die in der Vergangenheit mutig im Alleingang das Coming-
out gewagt haben, als auch die, die sich jetzt dafür entscheiden. Wir sind Nachwuchs, in der
Branche Etablierte und nicht Etablierte. Wir sind in einer Zeit aufgewachsen, in der Homosexualität
noch unter Strafe stand und wir sind jünger als Elliot Page. Wir kommen vom Dorf, aus der
Großstadt, wir sind People of Color, Menschen mit Migrationserfahrung und Menschen mit
Behinderung; wir sind keine homogene Gruppe.
Bislang wird behauptet, dass, wenn wir gewisse Facetten unserer Identität, nämlich unsere sexuelle
sowie Geschlechtsidentität offenlegten, wir mit einem Mal bestimmte Figuren und Beziehungen
nicht mehr darstellen könnten. Als wäre deren Sichtbarkeit unvereinbar mit unserer Fähigkeit,
Rollen überzeugend und glaubhaft für das Publikum zu verkörpern.
Diese Unvereinbarkeit gibt es nicht.
Wir sind Schauspieler*innen. Wir müssen nicht sein, was wir spielen. Wir spielen, als wären wir es -
das ist unser Beruf.
Wir spielen Ehefrauen und Familienväter, Liebende und Staatsleute, Sympathieträger*innen und
Ekel. Und häufig auch Figuren, mit deren Überzeugungen wir privat nie übereinkämen. Dabei
können wir Mörder*innen spielen, ohne gemordet zu haben. Wir können Leben retten, ohne Medizin
zu studieren. Wir können Menschen mit anderen sexuellen Identitäten spielen, als die, die wir leben.
Und wir tun es längst, die ganze Zeit schon, weil es unser Beruf ist.
Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass sich die bestehenden Film- und Serien-
Sehgewohnheiten erweitern und verändern. Es gibt weitaus mehr Geschichten und Perspektiven,
als nur die des heterosexuellen weißen Mittelstands, die angeschaut und gefeiert werden.Diversität
ist in Deutschland längst gesellschaftlich gelebte Realität. Dieser Fakt spiegelt sich aber noch zu
wenig in unseren kulturellen Narrativen wider.
Unsere Gesellschaft ist längst bereit. Die Zuschauer*innen sind bereit.
Unsere Branche soll für ein Miteinander stehen und in ihrer Vielfältigkeit die Gesellschaft abbilden.
Wir übernehmen Verantwortung für ein freies und offenes Zusammenleben und Zusammenarbeiten
und solidarisieren uns mit allen Menschen, die Stereotypisierung und Marginalisierung durch
Ableismus und Altersdiskriminierung, Klassismus, Rassismus. Antisemitismus und anderen Formen von
Diskriminierung ausgesetzt sind. Wir fühlen uns auch mit den Kolleg*innen verbunden, die zu
unserem Schritt zum jetzigen Zeitpunkt nicht bereit sind.
Dies ist zudem ein solidarischer Akt über die Grenzen unserer Branche hinaus und ein Appell an
alle, uns zu unterstützen.
Wir freuen uns, auf all die neuen Geschichten, die wir gemeinsam darstellen und erzählen können.
Die Welt verändert sich, wir tragen alle dazu bei!